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Die deutsche Wirtschaft: vom mächtigen Riesen zum „Sorgenkind“ der Europäischen Union

Die deutsche Wirtschaft: vom mächtigen Riesen zum „Sorgenkind“ der Europäischen Union

Christoph Sonke, Ökonom und Forscher der Deutschen Bundesbank (DZ-Bank), erklärte jüngst, Deutschland sei „das neue Sorgenkind unter den europäischen Ländern“. Mit anderen Worten: Für ihn ist die deutsche Wirtschaft nicht mehr die Spitzenreiterin der europäischen Wirtschaft, sondern sie wird durch ihre inneren Probleme behindert.

Flavio Aguiar, Politischer Analytiker

Der Wirtschaftsminister und Vizekanzler der Bundesregierung, Robert Habeck von den Grünen, gab am Mittwoch (9) bekannt, dass die Wirtschaft des Landes das zweite Jahr in Folge schrumpfen wird. Im Jahr 2023 schrumpfte es um 0,3 %. Prognosen deuten nun darauf hin, dass sie im Jahr 2024 um weitere 0,2 % schrumpfen wird.

Angesichts einer schwierigen internen Situation, steigender Energie- und Lebensmittelkosten, sinkendem Konsum und mangelnder Investitionen wenden sich deutsche Unternehmen auf Kosten ihrer Vermögenswerte auf der Suche nach Hilfe ins Ausland. Die Deutsche Bahn, einst eines der führenden Verkehrsunternehmen Europas, steckt in finanziellen und leistungstechnischen Schwierigkeiten. Um die Cashflows auszugleichen, beschloss das Unternehmen daher, seine Schifffahrtstochter, die profitable Schenker, für 14 Milliarden Euro (rund 85 Milliarden brasilianische Reais) an das dänische Unternehmen DSV zu verkaufen.

Die Commerzbank, die zweitgrößte Privatbank des Landes, hat einen Teil ihrer Vermögenswerte an die italienische UniCredit Bank verkauft. Letzterer äußerte den Wunsch, die gesamte deutsche Bank zu übernehmen, und die Europäische Zentralbank hat für diesen möglichen Deal bereits grünes Licht gegeben.

BASF in China

Andere Unternehmen erwägen die Suche nach attraktiveren Standorten. BASF Chemical Industries hat beschlossen, 10 Milliarden Euro in den Aufbau einer Einheit in China zu investieren. Die Schweizer Eigentümer des als mittelgross geltenden Energieunternehmens Techem erwägen einen Verkauf an das nordamerikanische Unternehmen TPG.

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Der Traditionskonzern Volkswagen hat angekündigt, Produktionseinheiten schließen zu wollen, unter anderem wegen der Konkurrenz durch chinesische Autos, und hat einen 30 Jahre alten Tarifvertrag mit einer Gewerkschaft gebrochen, um Arbeitsplätze und Löhne zu schützen.

Grenzkontrollen verstärken

Ein zusätzliches Problem entstand durch die Entscheidung Deutschlands, sich teilweise und vorübergehend vom sogenannten Schengener Abkommen zu lösen und an seinen Landgrenzen wieder eine polizeiliche Kontrolle über Pässe und Fahrzeuge einzuführen. Geschäftsleute, deren Unternehmen nahe der Grenze zu Polen ansässig sind und Arbeitnehmer aus diesem Land beschäftigen, sagen, sie seien besorgt über die dadurch verursachten Bewegungsschwierigkeiten.

Da Deutschland nach wie vor die größte Volkswirtschaft des Kontinents und der wichtigste Importeur und Exporteur von Produkten ist, wirken sich seine internen Probleme auf ganz Europa aus. Das allgemeine Klima ist von Angst und negativen Erwartungen für die kommende Zeit geprägt.

Bürokratieabbau im Verhältnis zwischen Staat und Wirtschaft

Um die Situation zu entschärfen, rechnet Minister Habeck mit einer Rückkehr Deutschlands ab dem nächsten Jahr auf den Wachstumspfad und kündigt die Verabschiedung von Maßnahmen zum Bürokratieabbau im Verhältnis zwischen Staat und Unternehmen sowie die Suche nach einem neuen, als klimaneutral geltenden Stromerzeugungsprogramm an.

Doch die Schwierigkeiten sind nicht gering. Seit 1980 haben aufeinanderfolgende Regierungen ihre Absicht angekündigt, die Bürokratie im Alltag dieser Beziehungen abzubauen, und die Ergebnisse wurden als unbefriedigend angesehen.

Darüber hinaus ist das allgemeine Klima der globalen Handels-, Finanz- und produktiven Investitionsmärkte aufgrund des Krieges in der Ukraine und der Zusammenstöße im Nahen Osten sowie der Ausweitung des Umfangs israelischer bewaffneter Aktionen in der Region auch von Angst und Vorsicht geprägt.

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Nicht zuletzt äußern Umweltverbände große Besorgnis über den wachsenden Widerstand von Industrieunternehmern und Agrarproduzenten gegenüber umweltfreundlichen Initiativen, die angesichts der ausländischen Konkurrenz als unrentabel und schädlich gelten. Es ist möglich, dass Deutschland und Europa insgesamt von den Spitzenreitern in diesem Bereich zu den neuen „Sorgenkindern“ werden, wenn es um den Erhalt des Planeten geht.