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Wie kann die deutsche Bahn das Ruder herumreißen? – DW – 08.07.2024

Die Eisenbahnen Deutschlands waren einst eine Quelle des Nationalstolzes. Doch in den letzten Jahren enttäuschten das staatliche Netz und sein Betreiber, die Deutsche Bahn (DB), Bahnreisende.

Staus, Verspätungen, Ausfälle und die regelmäßige Schließung großer Strecken wegen Wartungs- und Reparaturarbeiten gehören zu den häufigsten Problemen, mit denen Pendler konfrontiert sind.

Am deutlichsten wurde die Krise während der Euro 2024 in Deutschland vom 14. Juni bis 14. Juli. Überlastete Standorte während des Wettbewerbs machten international Schlagzeilen und stellten den Ruf Deutschlands für Effizienz, Pünktlichkeit und hochwertige Infrastruktur in Frage.

Was sind die Ursachen für DB-Probleme?

Die Verspätungen der DB nehmen sukzessive zu. Im Jahr 2023 erreichten weniger als zwei Drittel der Fernzüge ihr Ziel pünktlich – der niedrigste Wert seit Beginn der Aufzeichnungen. In Deutschland gilt ein Zug als pünktlich, wenn er weniger als sechs Minuten Verspätung hat.

Auch finanziell geht es der DB nicht gut: Sie schloss das erste Halbjahr 2024 mit einem Verlust von 1,2 Milliarden Euro (7,34 Milliarden R$) ab. Die Gesamtverschuldung beträgt mittlerweile rund 34 Milliarden Euro.

Die Probleme der DB sind auf jahrzehntelange Vernachlässigung und langfristige Unterinvestitionen zurückzuführen.

„Deutschland hat seine Schieneninfrastruktur lange vernachlässigt“, sagte Sabrina Wendling von der Allianz pro Schiene, einer in Berlin ansässigen gemeinnützigen Organisation, die sich auf die Verbesserung des Schienenverkehrs konzentriert. „Gleichzeitig ist die Nachfrage nach Personenverkehr und Schienengüterverkehr enorm gestiegen“, sagte sie hinzugefügt.

In den letzten drei Jahrzehnten geriet die Eisenbahninfrastruktur der größten Volkswirtschaft Europas zunehmend unter Druck. Die Pro-Schienen-Koalition sagt, das Netz sei geschrumpft, obwohl der Personenverkehr und der Schienengüterverkehr zugenommen hätten.

Andreas Nee, Mobilitätsforscher am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB), führt die Situation auf politische Entscheidungen zurück, die den Straßenverkehr gegenüber der Schiene bevorzugen: „Deutschland hat jahrzehntelang dem Auto und der Straßeninfrastruktur Vorrang eingeräumt.“

Philip Kossock, Verkehrsexperte der Hauptstadt-Denkfabrik Agora Vergerswende, stimmt zu: „Die Schiene konkurriert vor allem mit dem Straßenverkehr, der stark mit Steueranreizen subventioniert wird, ein Problem aus Sicht des Klimaschutzes.“ Und das Gleiche gilt auch für Flugreisen.

„Die DB muss sehr hohe Netzentgelte zahlen. Alle Eisenbahnunternehmen müssen für die Nutzung der Infrastruktur zahlen. Im Straßenverkehr müssen die Nutzer jedoch nicht für die Nutzung deutscher Straßen zahlen“, betonte er. Kosok.

Zu viel Investition, nicht genug?

Aber die derzeitige Koalitionsregierung Deutschlands – bestehend aus der Mitte-Links-Sozialdemokratischen Partei (SPD), den Umweltschützern der Grünen und der neoliberalen Liberaldemokratischen Partei (FDP) – ist im Rahmen ihrer Bemühungen, dies zu erreichen, bestrebt, Züge gegenüber Autos zu fördern. Klimaziele und Reduzierung der Treibhausgasemissionen des Straßenverkehrs.

Die Regierung hat sich verpflichtet, den Personenverkehr auf der Schiene zu verdoppeln und den Anteil des Güterverkehrs auf der Schiene bis 2030 auf 25 % zu erhöhen. Zu diesem Zweck will sie Milliarden Euro in die Modernisierung der Bahninfrastruktur stecken.

Das Projekt umfasst die Sanierung von Tausenden Kilometern Gleisen und Brücken, Bahnhöfen sowie veralteter Eisenbahnausrüstung wie Stellwerke und Weichen.

Im Juli startete die DB die erste Phase eines umfangreichen Sanierungsprojekts auf einer 70 Kilometer langen Strecke zwischen den Städten Frankfurt und Mannheim. „Die aktuelle Bundesregierung investiert mehr in das Schienennetz als ihre Vorgänger, aber nicht so viel, wie eigentlich nötig wäre, um das gesamte Netz zu modernisieren oder auszubauen“, kritisiert Kosok.

Nach Angaben der Koalition Pro Schiene betragen die deutschen Staatsausgaben für die Schieneninfrastruktur im Jahr 2023 nur 115 Euro pro Kopf, während die Nachbarländer Österreich (336 Euro) und die Schweiz (477 Euro) deutlich mehr pro Kopf investieren.

„Ab 2024 investiert das Land deutlich mehr in die Schieneninfrastruktur als in die Straßeninfrastruktur“, betont Wendling von der Allianz pro Schiene. „Da die Baukosten jedoch stark gestiegen sind, müssen wir auf jeden Fall weitere neue Bahnstrecken bauen, um die Kapazität des Netzes zu erhöhen.“

Ein Aufruf zu Strukturreformen

Ohne strukturelle Reformen und organisatorische Veränderungen sei an die Bewältigung der überlasteten Bahninfrastruktur nicht zu denken, allerdings fehle der Regierung eine „klare Strategie“, um die DB auf Wachstumskurs zu bringen.

Im Gegensatz zu Nachbarländern wie der Schweiz hat es Deutschland jahrzehntelang versäumt, klare und konsistente Richtlinien zur Verbesserung des Schienenverkehrs umzusetzen, bemerkt Agora-Mitarbeiter Vergerswende.

Die DB ist zu 100 % im Staatsbesitz, wird aber als Privatunternehmen geführt. „Das Unternehmen hat eine völlig fehlerhafte und komplexe Struktur – es ist ein Hybridmodell, einerseits ein Unternehmen des öffentlichen Sektors und andererseits in einem sehr wettbewerbsintensiven Marktumfeld tätig“, erklärt Nee.

Um die Koordinierung und Effizienz zu verbessern, schlug er vor, die duale öffentlich-private Struktur der DB zu beseitigen und ein stärker integriertes Eisenbahnunternehmen zu schaffen: „Eine gute Eisenbahn ist eine integrierte Eisenbahn, bei der das Netz und der Betrieb zusammenkommen. Es sollte keine Trennung zwischen ihnen geben. Führen Sie als.“ Einheit“, sagte WZB Mobility. Der Experte betont.

Was wird langfristig benötigt?

Experten betonen, dass auch langfristige Planung und politischer Wille erforderlich seien. „Eine zukunftsfähige Bahninfrastruktur ist auf jeden Fall ein Marathon und kein Sprint. Das können wir nur mit einer engagierten Regierung und einer verlässlichen Finanzierung über viele Jahre hinweg schaffen“, sagt Wendling.

Da es sich bei der Eisenbahn um komplexe, groß angelegte Infrastrukturen handele, bedürfe es einer langfristigen Planung und eines politischen Engagements, betont Kozosk: „Wenn wir uns heute für eine konkrete Strategie entscheiden, müssen wir diese jahrelang durchhalten, um wirklich von den Vorteilen zu profitieren.“

„Künftige Regierungen sollten sich auch stärker im Schienenverkehr engagieren, mehr investieren, Strukturreformen umsetzen und die gesamte Finanzstruktur der Verkehrswirtschaft reformieren und klimaschädliche Subventionen schrittweise abschaffen“, fasst der Experte zusammen.

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